Der Crunchyroll-Komplex

crunchyroll

Klein angefangen und zu ernstzunehmender Größe gewachsen

Crunchyroll begann als unscheinbare Animecommunity-Seite wo User Animevideos hochladen konnten und andere sich diese Uploads als Videostreams zu gemüte führen konnten – ein Animeyoutube. Was darüber hinausreicht, ist dass zusätzlich noch vorhandene Forum, mit einer Community auf Gaia-Niveau und einem Administrator der von seiner Community vergöttert und von Aussenstehenden nicht für ganz voll genommen wird. Soweit nichts besonderes, eine Seite wie so viele andere auch. Doch inzwischen ist sie zu einer ernstzunehmenden Größe im Animebereich angewachsen und hat bereits erste Auswirkungen auf die Fansubcommunity gehabt und für ordentlich Spannungen gesorgt.

Vom Tellerwäscher zum Millionär

Bemerkenswert an Crunchyroll ist sicherlich die rapide Entwicklung. Vor noch einem Jahr war es eine kleine Seite die man nicht kennen musste, wo User Fansubs, AMVs und asiatische Filme hochgeladen haben, die man sich anschliessend in youtube-manier in schlechter Qualität mittels eines Flashplayers angucken konnte. Erstmals größere Aufmerksamkeit erregte die Seite im März letzten Jahres, als das Animestudio Gonzo, bekannt u.a. für Last Exile und Strike Witches, ankündigte zukünftig ihre Serien zeitnah mit der japanischen Fernsehausstrahlung auch im Internet als legale untertitelte Videostreams bereitzustellen. Denn neben Youtube wollte Gonzo die Serien auch beim rein komerziellen Anbieter BOST und eben Crunchyroll anbieten.

Seitdem hat Crunchyrolls Administrator „Shinji“ einiges an Aufwand betrieben weitere Studios und Serien für das legale Streaming auf seiner Seite zu bekommen. Allerdings schien den Studios das Hochladen von Fansubs ein Dorn im Auge und Shinji hatte sich zu entscheiden, ob er sein bisheriges Konzept beibehält, also illegaler von Usern hochgeladener Conternt oder in Zukunft nur noch selber legales Material anbietet. Und so ist es dann Ende letzten Jahres auch gekommen, sämtliche von Usern hochgeladene Fansubs wurden gelöscht und es werden nur noch autorisierte Animestreams angeboten. Und die Rechnung scheint zumindest für Crunchyroll augegangen zu sein, haben sie mit Serien wie Naruto, die sie nun nur Stunden nach der japanischer TV-Ausstrahlung anbieten, echte Publikumsmagneten. Und seitdem Crunchyroll ein börsennotiertes Unternehmen ist, haben sogar Animestudios Anteile. Aber nicht alles ist Gold was glänzt…

Einfluss auf die Fansubkultur

Um die nachfolgenden Entwicklungen zu verstehen ein kleiner Nachhilfekurs in Sachen Fansubgeschichte. In den letzten ca. 10 Jahren konnten Fansubgruppen parallel zu legalen DVD-Veröffentlichungen im Netz existieren, einen Großteil an Animeserien untertiteln und ungestört ihrer Arbeit nachgehen. Einzige Ausnahmen hiervon waren gelegentliche C&D-Briefe (Amerikanische kostenlose Abmahnungen) dass einzelne Gruppen doch bitte aufhören sollten bestimmte Serien zu untertiteln, da irgendein amerikanischer Lizenznehmer die Rechte für deren Vertrieb erworben hat. Andere Maßnahmen der amerikanischen Lizenzhalter und der japanischen Studios haben wenig Früchte im Kampf gegen die unliebsamen Fansubs getragen.

Anders sieht die Sache jetzt bei Crunchyroll aus. Sie haben die Rechte für den Internetvertrieb bestimmter Serien und konkurieren daher direkt mit den ebenfalls im Netz kostenlos erhältlichen Fansubs. Den entscheidenden Vorteil aber hat Crunchyroll durch die zeitnahe Veröffentlichung. Bei einer kostenpflichtigen Mitgliedschaft sieht man neue Folgen bereits eine Stunde nach der Originalausstrahlung im Reich der aufgehenden Sonne oder ansonsten eine Woche darauf. Das ist auch meist die Zeit die Fansubber mindestens benötigen um etwas zu untertiteln. Und da sie nur noch mit Abstand geschlagene zweite beim Veröffentlichen sind und dementsprechend deutlich weniger Leute ihre Version gucken dürften, werden solche Sendungen tendentiell weniger untertitelt.

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Da ist nicht nur Sora traurig… auch Crunchyroll entschuldigt sich doppelt

Was gegen Crunchyroll spricht

Das wäre alles nicht so dramatisch – der Wechsel von illegalen Fansubs zu legalen Videostreams – wenn das ganze aus ein paar Gründen nicht einen Faden Beigeschmack hätte: Crunchyroll ist durch die illegalen Fansubs groß geworden. Da gibt es nichts zu beschönigen. Und jetzt wirbt Crunchyroll nach der Umstellung auf ihr legales Geschäftsmodell der Fansubszene ihre Übersetzer ab. Es ist halt lukrativer die selbe Arbeit mit Bezahlung zu machen als ohne. Nur auf diese Weise werden Sendungen für die Crunchyroll keine Rechte besitzt und für die nun den Fansubbern Übersetzer fehlen der Öffentlichkeit gar nicht oder wenn dann erst Jahre später als DVD-Release zugänglich gemacht.

Ein weiterer Punkt der gegen Crunchyroll spricht ist die Videoqualität. Zwar bietet die Seite unregistrierten Mitgliedern Videos in zwei verschiedenen Qualitätsstufen an, zahlenden Mitgliedern sogar bis zu fünf, aber die Videoqualität ist trotzdem selbst in der höchsten Einstellung bei zahlenden Mitgliedern schlechter als gewöhnliche DVD-Veröffentlichungen, ganz zu schweigen von HD-Fansubs. Damit hinkt Crunchyroll inzwischen selbst youtube hinterher. Ein weiteres essentielles Problem von Crunchyroll ist die Gültigkeit der Lizenzen und damit meine ich nicht einmal die zeitliche Befristung. Denn während Crunchyroll anfangs angekündigt hatte, dass fast alle ihre Serien weltweit abrufbar sein werden, hat sich inzwischen rausgestellt, dass dem doch nicht so ist und Crunchyroll für fast jede Serie nur Rechte für die Distribution in wenigen Ländern besitzt. Zwar ist immer Amerika dabei, aber Deutschland z.B. häufig nicht und so bekommt man oft genug einen bereits von youtube bekannten Satz zu lesen: „Dieses Video ist in ihrer Region leider nicht verfügbar“.

Was vom Feste übrig bleibt

Das bedeutet für den User oft genug einen Rückschritt. Fansubs waren und sind zwar illegal, aber haben inzwischen fast immer mindestens DVD-Qualität und sind überall erhältlich, während man bei Serien an denen Crunchyroll die Rechte besitzt oft genug nur miserable Qualität vorgesetzt bekommt, wenn man denn überhaupt was sieht. Und so verwundert es nicht weiter, dass Crunchyrolls Streams inzwischen gerippt und per torrent frei zugänglich gemacht werden. Allerding hat das auch bereits für viel böses Blut gesorgt.

Was bleibt ist eine Seite mit der man vor allem hierzulande nicht wirklich glücklich werden kann. Es bleibt abzuwarten, ob sich das Problem eines Tages ganz in Luft auflöst oder irgendwann kein Weg an Crunchyroll vorbei führt.

Nachtrag: Auf Animedium wird ebenfalls die Entwicklung rund um Crunchyroll betrachtet und der Autor kommt zu einem ähnlichen Schluss wie ich.

6 Gedanken zu „Der Crunchyroll-Komplex

  1. Vielen Dank für diesen ausführlichen Beitrag… war nämlich drauf und dran mich dort anzumelden… was ich jetzt unterlassen werde!

  2. Crunchyroll war eine super Möglichkeit, Serien mal kurz zu checken, ohne sie sich per Torrent herunterladen zu müssen. Ohne die Seite wäre ich wahrscheinlich nie ein richtiger Anime-Fan geworden, dementsprechend bin ich sehr traurig darüber, dass die Seite in der Form von früher nicht mehr existiert.

    Das mit den Rippen ist natürlich nicht in Ordnung, aber CR braucht sich nicht zu wundern, dass es sich durch die Entscheidung zur Kapitalisierung viel Unmut zugezogen hat. Und egal, wie der Kampf mit den „Rippern“ ausgeht, eines ist sicher: der Fan hat bereits verloren.

  3. Ach so, bei aller Nostalgie ganz vergessen, zu verwähnen: Toller Beitrag und treffend analysiert!

  4. Vielen Dank für den Beitrag, kenne Crunchyroll auch erst seit ein paar Monaten, aber offensichtlich scheint doch nicht alles Gold zu sein, was glänzt.

  5. Super Beitrag!
    Aber eine Frage hätte ich noch: Da CR jetzt die rechte hat, ist es jetzt wohl legal die Animes dort zu gucken, oder? Ist es auch kostenlos und legal, Animes (z.B.: Naruto Shippuuden) auf der Seite zu gucken, ohne ein Member zu sein? Also sie sozusagen als Gast zu sehen, da es ja eine Woche nach der Veröffentlichung in Japan für JEDEN kostenlos und legal verfügbar sein soll.

  6. Pingback: Der Verfall und Umbruch der Animeindustrie « animeblog.de

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