Vorweg: Ich habe Jura weder studiert noch anderweitig gelernt. Die unten aufgestellten Ansichten und Schlüsse sind lediglich solche die ich mit meinem laienhafter Verständnis ziehe und erheben keinen Anspruch auf eine irgendwie geartete Verbindlich- oder Richtigkeit.
Der Publisher PQube wollte eigentlich am 16. September das Spiel Valkyrie Drive: Bhikkuni bei uns in den Handel bringen und das genau so wie sein letztes Spiel Gal*Gun: Double Peace löblicherweise unzensiert.
Doch wie nun bekannt wurde erteilt die USK dem Spiel in Deutschland keine Freigabe. Damit nach Criminal Girls 2 vom Publisher NISA bereits das zweite Spiel in kurzer Folge das nicht wegen Gewaltdarstellung sondern zu viel nackter Haut keine USK-Freigabe erhalten hat. Doch es scheint als hätte die verweigerte Einstufung noch viel weitreichendere Folgen…
Ein Blick auf die FAQ-Seite der USK bringt erst einmal Aufschluss darüber warum die USK die Einstufung überhaupt verweigern darf:
Die USK legt also die selben Maßstäbe, sprich Vorschriften, wie die BPjM an. Aber aufgrund welcher für die BPjM geltenden Vorschrift hat die USK die Einstufung nun überhaupt verweigert? Nachfragen auf Twitter direkt bei PQube bringt Klarheit:
Dazu lässt sich auf der Seite BPjM die folgende Erklärung unter der Kategorie „Schwere Jugendgefährdung“ und dem Punkt „Posendarstellung“ finden:
Wie man sieht sind dort genau die Punkte erwähnt, die PQube von der USK als Begründung bekommen hat. Interessant ist zudem der Verweis auf § 15 Abs. 2 Nummer 4 JuSchG, der da lautet:
Der Punkt der mich aber stutzig macht ist, dass hier explizit von „Kindern oder Jugendlichen“ die Rede ist, also von echten Menschen, und in unserer Rechtsprechung Grundsätze wie Nulla poena sine lege und, zumindest im Strafrecht, das Analogieverbot gelten. Soll heißen: Wenn dort nicht ausdrücklich, wie in der BPjM-Erklärung, steht, dass sich das auch auf virtuelle Darstellungen wie in Videospielen erstreckt, sollte das egal sein.
Hier kommt dann aber wohl Ziffer 1 zum tragen mit dem Verweis auf § 184b StGB und § 184c StGB in denen dann im Fall von § 184b folgendes zu lesen ist:
Und hier ist es dann wohl die Kombination der Definition von Absatz 1 Nummer 1b bezüglich „geschlechtsbetonter Körperhaltung“ und dem Wort „wirklichkeitsnah“ in Absatz 1 Nummer 2, wo die BPjM und USK sich wohl dran stoßen.
Interessant ist das ganze insofern, als das diese Änderung erst letztes Jahr gemacht wurde. Der ein oder andere Mag sich noch an die viel kritisierte Gesetzesverschärfung erinnern, die auf unseren Justizminister Maas zurückgeht, welcher versucht hat damit die Edathyaffäre zu überspielen. Das ganze trägt jetzt anscheinend Früchte. Videospiele die im Rest der EU und selbst im prüden Amerika ohne Probleme veröffentlicht werden können erfüllten hier nun Straftatbestände. Ein voller Erfolg!
Aber zurück zu Valkyrie Drive. Denn mit der verweigerten USK-Freigabe und vorraussichtlichen Indizierung durch die BPjM ist es keinesfalls getan. Wie man oben im Ausschnitt vom JuSchG sieht, steht dort (Hervorhebung durch mich):
Den Beschränkungen des Absatzes 1 unterliegen, ohne dass es einer Aufnahme in die Liste und einer Bekanntmachung bedarf, schwer jugendgefährdende Trägermedien, die […]
Man muss sich vor Augen halten, dass das auch seinen Grund hat, da es dort sonst immerhin um Dinge wie Volksverhetzung, Kriegsverherrlichung und echte Kinder- und Jugendpornographie geht.
Und auch auf Wikipedia sieht das ganze ähnlich und geht von einer automatischen Indizierung aus:
Und auch bei der BPjM findet sich eine entsprechende Aussage.
Zusammengefasst und kurz gesagt:
Die USK verweigert die Altersklassifizierung von Valkyrie Drive. Dies dürfen sie nur wenn das Spiel – ihrer Ansicht nach – die Indizierungskriterien der BPjM erfüllt. Um welches Kriterium es sich konkret handelt teilt PQube öffentlich mit.
Das Kriterium ist aber eines, welches nach dem Jugendschutzgesetz bedeutet dass das Spiel auch ohne eigenes Indizierungsverfahren bereits indiziert ist. Und nicht nur das: Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, dass sich die USK eben nicht auf § 15 Abs. 2 Nummer 4 JuSchG sondern auf § 15 Abs. 2 Nummer 1 JuSchG beruft (Begründung siehe oben) würde das Spiel auch gleich noch einem strafrechtlich relevanten Verbreitungs- und Besitzverbot unterliegen, womit bereits der Import eine Straftat wäre. Und der Besitz eben auch.
Bei einem Spiel das man sonst in der EU ganz normal überall im Laden kaufen kann.
Ich schließe mit einem Zitat von der USK-Seite:
Ist das Zensur?
Nein […]
Wobei das Besitzverbot vermutlich nur bei § 184b und nicht § 184c greifen würde (vgl. Absatz 3 jeweils). Bei § 184c bezieht sich das Besitzverbot nur auf „tatsächliches Geschehen“, bei § 184b auch auf „wirklichkeitsnahes“. Bei solch einem Spiel kommt wohl nur „wirklichkeitsnahes“ in Frage.
Ich habe den Anime, „Mermaid“, gesehen und fand der wies aus psychoanalytischer Sicht einige der kreativsten und beeindruckendsten Bildkompositionen auf welche in den letzten Jahren überhaupt produziert wurden. Wäre das ein Kinofilm gewesen, ich hätte ihm in Cannes allein dafür die Goldene Palme verliehen.
Ein Riesenspaß.
Doch auch wenn es nach sexueller Verfolgung aussieht und so als ob hier ein neues Gremium politisch-ideologisch motiviert übereifrig agiert, ist diese Entscheidung doch verständlich, sowie nachvollziehbar: laut Wiki wäre vom halben Dutzend Figuren in diesem Konsolenspiel, „Bhikkuni“, gerade einmal eine (!) volljährig. Im Anime sei das schon ähnlich gewesen – ich wäre nie auf die Idee gekommen, habe aber auch kein Wort verstanden -, und selbst in „Siren“ diese Situation vorhanden, das aber aus sozialen und technischen Gründen sowieso nicht lokalisiert werden wird.
All das aus meiner Sicht völlig grundlos: weder existiert ein praktischer Schulkontext, der gern zu einem Vorurteil oder einer Entwicklung in diesem Bereich (dem Alter der ProtagonistInnen) führt, noch deutet das Erscheinungsbild der Charaktere in irgendeiner Form darauf hin. Eine Chibi-Ästhetik ist hier körperlich auch nicht vorhanden, weshalb es in diesem Fall egal ist ob die Wahrnehmung als real oder virtuell erfolgt, ein „wirklichkeitsnahes“ Geschehen angenommen wird oder nicht, Charaktere bloß als Scheinerwachsene angesehen werden, nur „Jura studier“en dabei helfen würde usw.
Die einzige Frage stattdessen bleibt: warum machen die Kreativen das? Denn die Entscheidung trafen diese bereits eigenständig und selbstbestimmt im Vorfeld: schon viele JRPGs tendieren dazu Minderjährige darzustellen, und werden dafür – wie etwa „Atelier“ – im Westen regelmässig zensiert, doch weshalb wird dieser Umstand noch bei einem offenkundigem Sexspiel wie diesem hier – ohne Rücksicht auf jegliche Schutzalter – beibehalten??
Es ist zwar ein krasses (kulturelles und ästhetisches) Vorurteil zu glauben Medien aus dem Anime-Bereich würden ohnehin dazu neigen Kinder zu sexualisieren, meiner Efahrung nach ist die strikte Ausgrenzung von Kindern aus sexuellen Kontexten sogar sehr auffällig (wohl aufgrund dieses Vorurteils) und kennzeichnend für viele Anime – Kinder treten darin lediglich als comic relief auf etc. Alles andere existiert im kommerziellen Bereich der auch in den Westen gelangen kann überhaupt nicht, ist ein Mythos, eine Urban Legend und ein Internet-Gerücht, verbreitet von Leuten welche meinem Eindruck nach für sexuellen Ausdruck ohnehin kein Geld ausgeben würden – doch zwischen Jugendlichen und Erwachsenen wird aus Japan im Anime weiterhin eher nicht unterschieden.
Warum? Die Schutzalter existieren nicht ohne Grund.
Bei „Criminal Girls“ hätte ich noch eher die sexuelle Gewalt als ausschlaggebend vermutet, sowie ein PEGI-16 angezweifelt: nein, im Gegenteil wird der Umstand dass über die Selbstregulierung der PEGI die Schutzalter ignoriert werden hiermit schon zu einem Problem, denn auch andere europäische Länder haben eine Gesetzgebung in diese Richtung – hier müsste sich die PEGI tatsächlich eher an die deutschen Verhältnisse anpassen…
Und für alle Gamer welche mit der Franchise nichts anfangen können: das *war* das neue Medienprojekt des „Senran Kagura“-Machers, spielt deshalb eigentlich schon in einer anderen Liga als vergleichbare Titel. Trotzdem fragwürdig, unprofessionell und letztlich auch unverantwortlich.